Nachhaltige Mobilität: urbane Seilbahnen
Technologieoffen gehen die Unternehmen die Herausforderung einer immer komplexeren Mobilität an. Über urbane Seilbahnen als innovativen Lösungsweg für den Stadtverkehr haben wir mit Georg Gufler, CEO von Doppelmayr Italia, gesprochen.
Die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe beschäftigt weltweit über 3.000 Mitarbeiter in 50 verschiedenen Niederlassungen. Rund 15.000 Seilbahnen wurden in 96 Länder der Welt realisiert, über 500 davon in Italien. Diese tragen alle die Handschrift der Doppelmayr Italia GmbH mit Sitz in Lana, die momentan 102 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und 2020 einen Umsatz von 52 Millionen Euro erwirtschaftet hat.
„Über 70 Prozent dieses Umsatzes wird durch den Bau von Seilbahnen für touristische Zwecke generiert, aber in den kommenden Jahren werden die urbanen Anlagen immer wichtiger werden. Wir rechnen, dass in den nächsten 5-10 Jahren möglicherweise die Hälfte unseres Umsatzes auf Stadtseilbahnen zurückzuführen sein könnte“, erklärt Georg Gufler, CEO von Doppelmayr Italia.
Herr Gufler, werden Seilbahnen die Lösung für den wachsenden Stadtverkehr sein?
“Eine nachhaltige urbane Mobilität wird immer mehr zur Zukunftsherausforderung. Denken wir nur daran, dass jede Woche 1,5 Millionen Menschen in eine Stadt ziehen und bis 2050 voraussichtlich 68 Prozent der gesamten Weltbevölkerung in Städten leben wird. Durch dieses Wachstum der Städte stehen immer weniger freie Flächen für Verkehrsinfrastrukturen zur Verfügung, der Stau auf den Straßen nimmt zu, öffentliche Verkehrsnetze sind überlastet und es kommt zu einer höheren Umweltverschmutzung. Seilbahnen sind in diesem Kontext sicherlich eine mögliche Lösung: nicht als Konkurrenz für bestehende System, sondern als Alternativ- oder Zusatzangebot, als Integration.”
Welchen Vorteil hat eine Seilbahn im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln?
“Ein erster Vorteil liegt sicherlich in der unabhängigen Verkehrsebene. Seilbahnen können über den Stau oder anderen Hindernissen hinwegschweben, dadurch sind die Fahrzeiten verlässlich und es kommt zu keinen Verspätungen.”
Wie sieht es mit der wirtschaftlichen Effizienz aus?
“Auch in diesem Fall sind urbane Seilbahnen eine sehr gute Lösung. Die Bauzeiten sind im Vergleich zu anderen Verkehrsinfrastrukturen relativ kurz – im urbanen Bereich liegen diese bei rund 24 Monaten. Auch die Kosteneffizient ist gegeben, denn man kann die Kapazität bedarfsgerecht planen. Und da die Wirtschaftlichkeit mit der Umweltfreundlichkeit einhergeht, ist die Seilbahn ein wirklich nachhaltiges Mobilitätsangebot.”
Kann man diese Nachhaltigkeit auch mit Zahlen belegen?
“Es gibt mehrere Studien, die fallbezogen die Nachhaltigkeit der Seilbahn unter Berücksichtigung des CO2-Verbrauchs verglichen mit anderen Verkehrsmitteln aufzeigen.”
Von der Theorie zur Praxis: gibt es schon konkrete Beispiele von urbanen Seilbahnen?
“Es gibt eine Vielzahl von Projekten im urbanen Bereich. Unser Vorzeigeprojekt in der Gruppe ist sicherlich die Seilbahn in der bolivischen Hauptstadt La Paz, die im Jahr 2014 eröffnet wurde. In fünf Jahren haben die 10 Linien dieser Verkehrsinfrastruktur, die sich auf 31 Kilometer Seilbahnnetz ausdehnt – das ist das größte Seilbahnnetz weltweit -, 247 Millionen Fahrgäste befördert. Das sind durchschnittlich 300.000 Fahrgäste pro Tag. Die Verbindung der Verwaltungshauptstadt mit dem höher gelegenen Stadtgebiet „El Alto“ ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Seilbahnen über Stau und Hindernisse hinwegfahren können.
Für die 2,4 Kilometer lange Verbindung beträgt die Fahrzeit lediglich 10 Minuten, das wäre in den engen und steilen Straßen von La Paz mit einem Auto nie möglich. Der Straßenverkehr wurde entlastet und die Seilbahnstationen sind zu wirtschaftlichen Zentren geworden und haben dadurch zur positiven Stadtentwicklung beigetragen. Nicht zuletzt sieht man das an der großen Akzeptanz der ersten gebauten Linien, erst dadurch wurde es nämlich möglich, das Seilbahnnetz weiter auszubauen.”