Junge Talente gesucht
Luca Paolazzi, wissenschaftlicher Direktor der Fondazione Nord Est, spricht über den Kampf um junge Talente.
“Wie kann Südtirol für junge Talente auch in Zukunft attraktiv bleiben?”. Diese konkrete Frage hat Luca Paolazzi, wissenschaftlicher Direktor der Fondazione Nord Est, anlässlich der Vollversammlung des Unternehmerverbandes versucht zu beantworten.
Ein wettbewerbsfähiges Umfeld
Innovationsfreudige Unternehmen mit ihren attraktiven Arbeitsplätzen reichen alleine nicht aus, um einen Standort für junge Menschen interessant zu machen. Es braucht ein rundum wettbewerbsfähiges Umfeld. Das bedeutet leistbares Wohnen, gute Ausbildungsmöglichkeiten, effiziente öffentliche Dienste, moderne Verbindungen.
Die Regionen des Nord Osten Italiens, inklusive Südtirol, haben in den letzten Jahren gegenüber den Ländern aus dem deutschsprachigem Raum Konkurrenzfähigkeit eingebüßt. Paolazzi macht dies an der Entwicklung des BIP pro Kopf deutlich. “Wäre Südtirol in den 20 Jahren zwischen 2000 und 2020 gleich schnell gewachsen wie Tirol, würde das BIP pro Kopf um 7.000 Euro höher liegen.”
Um wieder Boden gut zu machen, muss man auf die Jugend setzen. “Jene Regionen, die es schaffen, junge Talente anzuziehen, haben die besten Karten, um auch in Zukunft im globalen Wettbewerb gut aufgestellt zu sein”, meint Paolazzi. Energiewende und digitale Transformation spielen dabei eine entscheidende Rolle. “Diese beiden Aspekte sind für die neuen Generationen besonders wichtig. Regionen, die hier Spitzenreiter sind, sind für Jugendliche besonders attraktiv”, so der wissenschaftliche Direktor der Fondazione Nord Est.
Die Abwanderung der Talente hat hohe Kosten
Schaut man sich die Entwicklung der letzen Jahre an, so hat Südtirol kontinuierlich junge Talente verloren. Die Abwanderung von Jugendlichen mit Universitätsabschluss war stets höher als die Zuwanderung. Der Negativsaldo des letzten Jahrzehnts liegt bei über 2.000. “Regionen, die junge Talente verlieren, verlieren auch an Wettbewerbsfähigkeit. Für Jugendliche attraktiv zu sein, bringt für einen Wirtschaftsstandort große Vorteile mit sich. Umgekehrt entstehen durch den Verlust an Innovation und Produktivität hohe Kosten”, so Paolazzi. Diese Kosten kumulieren sich. Zudem kommen höhere Kosten für die öffentliche Hand hinzu, da für ältere Generationen auch größere Ausgaben für Altersvorsorge, Sanität oder Sozialfürsorge anfallen.
“Der demographische Wandel ist eine riesige Herausforderung”, weiß Paolazzi. Dies treffe besonders für Italien zu. “Im europäischen Vergleich weisen die italienischen Regionen einen höheren Altersdurchschnitt auf. Während die Generationen Y, Z und Alpha weniger stark vertreten sind, ist in Italien die Generation X (Jahrgänge 1965 bis 1979) überräpresentiert (wobei auch die Silver Economy ihre Vorteile mit sich bringt, wie wir hier beschrieben haben). “Auf die Unternehmen kommt eine zusätzliche Herausforderung zu. Die Welt ändert sich immer schneller und Generationen sind viel schnelllebiger als in der Vergangenheit. Dies bedeutuet, dass in einigen Betrieben bis zu fünf unterschiedliche Generationen vertrteten sind. Es ist nicht einfach, dies organisatorisch zu lösen”, sagt Paolazzi.
Dass sich Unternehmen aber darauf einstellen werden, ist gewiss. “Es geht schließlich um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Modewort, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, reagieren auf die Bedürfnisse des Marktes, kommen den neuen Anforderungen der finanziellen Institutionen entgegen und sind auch als Arbeitgeber für junge Menschen attraktiver”, so Paolazzi abschließend.