Numeri

Konflikte bewältigen

20 Mai 2019

In der Regelung von Gesellschafterkonflikten sind Südtirols Unternehmen gut aufgestellt: Ein Gespräch mit Peter Agstner, Professor an der Freien Universität Bozen.

98% aller in Europa tätiger Betriebe sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs). Viele von ihnen sind kleine Familienunternehmen, in denen die Betreiber oftmals einen beachtlichen Teil ihres Privatbesitzes investieren. Kommt es dann zu Problemen oder Konflikten innerhalb des Betriebes bzw. der Familie, so sind viele Beteiligte nicht ausreichend informiert. Peter Agstner, Dozent für Gesellschafts- und Insolvenzrecht an der Freien Universität Bozen, beschäftigte sich in einer von der Euregio unterstützten Studie mit der Regelung solcher Konflikte.

Professor Agstner, warum ist das Thema „Gesellschafterkonflikte“ auch in Südtirol relevant?

„Weil auch hier GmbHs über 90% der lokalen Unternehmen ausmachen. Dort herrschen in der Regel Harmonie und gegenseitiges Vertrauen, doch das Risiko möglicher Meinungsverschiedenheiten wird oftmals unterschätzt. Es ist sehr wichtig, bereits vorab in einer Satzung Mechanismen einzubauen, die zur Prävention bzw. Lösung von Konflikten beitragen“.

„Unternehmensnachfolge ist ein typischer Auslöser für Streitereien“

Was sind typische Konflikte, zu denen es in GmbHs kommen kann?

„Ein möglicher Auslöser für Streitereien ist die Unternehmensnachfolge. Eine Tochter oder ein Sohn, die den Betrieb übernehmen, kommen aus einer jüngeren Generation, haben vielleicht andere Vorstellungen und Ideen als die Vorgänger des Betriebes“.

Wie sind Sie bei Ihrer Studie vorgegangen?

„Ich habe 300 Satzungen von GmbHs aus Südtirol und aus Mailand kritisch analysiert, die mir von der Handelskammer zur Verfügung gestellt wurden. Ich habe die Satzungen auf ihre Stärken und Schwächen im Bereich des Konfliktmanagements untersucht“.

Warum der Vergleich „Südtirol-Mailand“?

„Ich habe mich für Mailand entschieden, weil es der größte Finanzplatz Italiens ist, wo auch sehr gut ausgebildete Anwälte, Wirtschaftsberater und Notare arbeiten. Mich hat interessiert, wie sich Südtirols Satzungen von jenen in einer Metropole unterscheiden“.

Woran erkennt man, ob eine Satzung „gut“ oder „schlecht“ ist?

„Natürlich sollten die wichtigsten Problematiken in den Klauseln behandelt werden, wie zum Beispiel Übertragsbeschränkungen in Form von Verkaufsrechten oder Zustimmungsrechten. Erfreulicherweise beinhalteten 96% aller Satzungen solche Einschränkungen. Diese sind insofern wichtig, weil sie den Zusammenhalt des sozialen Kapitals stärken und den unkontrollierten Eintritt von externen Störenfrieden unterbinden können. Aber man muss auch betonen, dass es die perfekte Satzung nicht gibt. Jede Klausel hat Vor-und Nachteile, die man im Einzelfall abwägen muss. Aber Vorkehrungen treffen, das ist unumgänglich“.

Und was ergab Ihre Analyse? Sind die Satzungen von Unternehmen aus Mailand besser aufgesetzt?

„Überraschenderweise nein. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Satzungen von GmbHs aus Mailand „schlechter“ als die aus Südtirol“.

Woran könnte das liegen?

„Die Gründe für diese Unterschiede kann man nur vermuten, das wäre ein Thema für eine separate Studie. Vielleicht liegt es daran, dass das Thema der Gesellschafterkonflikte in Mailand weniger konsequent aufgearbeitet wird und die Berater und Unternehmer diesbezüglich weniger Zeit und Aufwand in die Ausarbeitung einer zugeschnittenen Satzung investieren“.

War es das Ziel Ihrer Studie, genau diese Einstellung der Unternehmer und Berater zu verändern?

„Ja, unter anderem. Ich wollte das Thema empirisch erforschen, weil es in Italien dazu kaum Untersuchungen gibt. Ich möchte mit meinen Ergebnissen das Bewusstsein wecken, dass Gesellschafterkonflikte nicht unterschätzt werden dürfen“.

Was empfehlen Sie also den GmbHs?

„Ausreichend Zeit und den Willen, in eine gute Beratung zu investieren. Denn natürlich ist es schön, bei einer Gründung optimistisch zu sein, keiner möchte in diesem Moment an Konflikte denken. Aber es kann eben leider zu Meinungsverschiedenheiten kommen und dann ist es falsch, die klassische, oftmals veraltete Satzung zu benutzen. Unternehmen sollten sich schon im Vorfeld Gedanken machen, wie sie mit Problemen und Konflikten umgehen und sich dabei auch fachkompetente Unterstützung holen“.

Südtirol kann also als Vorbild gelten, was die Regelungen von Gesellschafterkonflikten in GmbHs angeht?

„Durchaus, aber dennoch gibt es auch in Südtirol noch Potenzial, sich zu verbessern. Zum Beispiel fand ich in den Mailänder Satzungen zumindest in Einzelfällen „Tag along- und Drag along-Klauseln“, also Mitveräußerungsrechte und -pflichten. Auch ein sogenanntes „arbitrato gestionale“ könnte von Interesse sein, mittels welchem die Lösung von Konflikten über Geschäftsführungsentscheidungen einer externen Drittperson anvertraut“.